(Saturday) November 19, 2016 - 07:00
Zentralcafé im Künstlerhaus (K4) - Königstr. 93 (Map)
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DESCRIPTION
Jihad Rap
An den Rändern muslimischer Subkulturen
Lesung von Yvonne Kunz
(Buch erscheint bei testcard im September 2016)
Allahu Akbar! Und dann knallt’s. Und wieder und wieder. Experten hegen kaum Zweifel, dass dieses Szenario auch in Westeuropa gerade zur traurigen Gewohnheit wird.
Den passenden Sound gibt’s auch dazu: Jihad Rap. Islamistische Reime auf harten Beats zu schick geschnittenen Gräuelvideos. Das sind Propaganda-Tools im Werkzeugkasten der digitalen Demagogen des heiligen Kriegs. Im größten Hit des Genres, »Dirty Kuffar«, preist Sheikh Terra in britisch-pakistanischem Englisch auf einem jamaikanischen Diwali Riddim das Töten von Ungläubigen. In solchen Konstellationen kommt ein schlingernder Prozess der Identitätssuche und Realitätsfindung zum Ausdruck, der auf kulturelle Heimatlosigkeit verweist.
Jihad Rap wirft ein grelles Licht auf die Frage, ob wir einen Huntington’schen Clash der Kulturen erleben oder eben gerade das Gegenteil, eine Verschmelzung der Kulturen. Die Popularität dieses Genres belegt zumindest, dass New York, London oder Paris keine gemütlichen Melting Pots mehr sind, sondern schnelle Brüter, an deren Rändern sich Traditionen, Glauben, Pop und Kommerz zu einem vielköpfigen Bastard vereinen. Ein verstörendes Beispiel findet sich im Berliner Ex-Gangsta-Rapper Deso Dogg. Als reimender Botschafter des IS lässt er die westliche Welt nun wissen: »Wir wollen euer Blut, es schmeckt so wunderbar.«
Es wäre ein Leichtes, Jihad Rap als fehlgeleiteten Ausdruck von Aggression und ein an Dumpfheit kaum zu überbietendes Exempel der globalisierten Popkultur abzutun. Doch er eröffnet auch einen Blick auf eine zutiefst desillusionierte und wütende Jugend. Aus dieser Position produzieren auch andere Muslime politisch herausfordernde Musik, etwa der Brite Aki »Propa-Gandhi« Nawaz von der Band Fun-Da-Mental. So zeichnet er etwa die Gedanken eines Selbstmordattentäters nach und wird infolgedessen nicht überraschend, aber zu Unrecht in die Terroristenecke gestellt. Nawaz gehört zu jener Gruppe Musiker, die ihre muslimischen Identitäten aggressiv vermitteln, sich aber eher in eine Reihe mit den Sex Pistols, als in die der Hass predigenden Imame stellen.